Keine Verurteilung fürs Flyern gegen Abschiebungen

Solidarität heißt Widerstand – und führt zum Freispruch vor dem Amtsgericht Erding. Roter Rauch in der Erdinger Innenstadt. Mit Transparenten und Sprechchören ziehen solidarische Menschen durch die Kleinstadt zum Amtsgericht. Über 30 AktivistInnen sind angereist, um eine Genossin vor Gericht zu supporten. Der Vorwurf lautete „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“.

Sie soll eine Abschiebung verhindert haben, mit Flugblättern! Als Ramazan A. abgeschoben werden sollte, kaufte sie sich ein Ticket und verteilte im Sicherheitsbereich Flugblätter. Der Pilot sagte darauf hin die Abschiebung ab. Der Gerichtsprozess fand unter strengen Kontrollen statt. Alle ZuschauerInnen wurden kontrolliert. Alle mussten ihre Taschen abgeben und wurden abgetastet – zweimal.

Der Prozess begann dementsprechend konfrontativ. Wütende Ordnungsrufe von der Richterbank, Applaus für die Angeklagte aus dem Zuschauerraum.

Zwei Polizisten und der Pilot wurden befragt. Am Ende beantragte die Staatsanwaltschaft 1200€ Strafe und die Verteidigung einen Freispruch. Der Richter hat sich der Verteidigung angeschlossen und sie freigesprochen. Da Ramazan A. direkt wieder in die Haftanstalt gebracht wurde, hat er sich nicht strafbar gemacht, also gibt es auch keine Beihilfe, so der Richter.
Die Staatsanwaltschaft hat nun sieben Tage um zu entscheiden, ob der Prozess in die nächste Runde geht.

Die angeklagte Genossin hat klar gemacht, dass sie mit einer Welt, in der Fluchtursachen geschaffen werden und Geflüchtete bekämpft werden, nicht einverstanden ist und weiter Widerstand leisten wird.

Dem schließen wir uns an: Hoch die internationale Solidarität!

Bei der Kundgebung vor dem Gericht hielten wir folgende Rede:

“Wir sind heute hier, weil eine Genossin für das Verteilen von Flugblättern angeklagt wird. Ein junger Kurde sollte vom Münchner Flughafen aus abgeschoben werden. Von Deutschland nach Bulgarien und – so durchaus die Praxis – von dort gleich weiter in die Türkei, wo er wie viele andere RegimegegnerInnen und kurdischstämmige Menschen politisch verfolgt wird. Die Genossin machte darauf aufmerksam und schlussendlich weigerte sich der Pilot die Abschiebung durchzuführen. Diese Entscheidung ist kein Einzelfall. 2018 wurden mehr als 500 Abschiebungen durch die Verweigerung von PilotInnen verhindert.

Doch weiterhin werden in Deutschland Menschen abgeschoben und jede dieser Abschiebungen ist eine zu viel. Menschen fliehen vor Krieg, Armut oder politischer Verfolgung. Mit Militäreinsätzen, Waffenexporten und vor allem mit der wirtschaftlichen Knebelung ganzer Staaten, produziert Deutschland jeden Tag Fluchtursachen und das deutsche Kapital verdient daran. Der Klimawandel wird in Zukunft weitere Menschen in die Flucht treiben.

Jedes Jahr sterben auf der Flucht tausende Menschen. Diejenigen, die es bis nach Deutschland schaffen, landen unter anderem in sogenannten Anker-Zentren, was für „Ankunft“, „Erkennung“ und „Rückführungen“ steht. Menschen die nicht für Kapitalinteressen verwertbar sind, will man hier nicht haben. In Bayern werden Geflüchtete dem brutalsten Lagerregime Deutschlands unterworfen. Die CSU gründete eine bayerische Abschiebebehörde, verweigert Ausbildungserlaubnisse und schiebt massenhaft Menschen in Länder ab, in denen ihnen der Tod droht. Kein Wunder, dass gerade hier ein Prozess für das Verteilen von Flugblättern geführt wird.

Der Kampf gegen den Rechtsruck, der Kampf gegen Fluchtursachen und der Kampf gegen die Abschiebeindustrie gehörten zusammen. Als AntifaschistInnen sehen wir es als unsere Aufgabe, die Kämpfte von Geflüchteten zu unterstützen. Die Hetze gegen Geflüchtete ist ein zentrales Thema für die reaktionäre Politik in Deutschland. In klassischer Sündenbockmanier werden von der Gesellschaft Ausgeschlossene, allen voran Geflüchtete, zum Grund für soziale Missstände erklärt. Das gegeneinander Ausspielen von Menschen an Hand ihrer Herkunft sorgt für noch mehr Konkurrenzkampf und Abstiegsängste und letztlich nur für eine bessere Kontrolle der Menschen, die davon abhängig sind, sich und ihre Arbeitskraft zu verkaufen.

Unsere Antwort kann nur Solidarität heißen. Diese Solidarität kann sich äußern, indem wir gegen FaschistInnen auf die Straße gehen oder indem wir Sand in das Getriebe der Abschiebe-Maschinerie streuen. Und natürlich bedeutet es, solidarisch zusammenzustehen, wenn eine von uns vor Gericht gezerrt wird. Denn ein Angriff auf eine von uns, ist ein Angriff auf uns alle!

Hoch die internationale Solidarität!”