Am Montag startete die vom deutschen Bauernverband (DBV) initiierte Aktionswoche gegen die geplanten Subventionskürzungen der Bundesregierung in München mit gleich mehreren Demonstrationen. Unter dem Motto „Es reicht! Die Ampel muss weg!“ veranstaltete auch die bayrische “AfD” eine Kundgebung, um aus dem Protest gegen FDP, SPD und Grüne zu profitieren.
Die Bundesregierung möchte mit den mittlerweile teils zurückgenommenen Einsparungen die Kosten der wirtschaftlichen Krise auf die Landwirtschaft auslagern. Daher ist die Wut der Bäuer:innen verständlich und berechtigt. Gerade für kleine landwirtschaftliche Betriebe sind die Subventionen teilweise überlebensnotwendig. Doch während große Lebensmittelkonzerne und Großbauern dank den Lebensmittelteuerungen noch mehr Profite eintreiben sollen Teile der Landwirtschaft noch stärker unter der neoliberalen Ampel-Politik leiden. Der völlig absurde Sparkurs der Regierung instrumentalisiert die Krise zur Einsparung jeglicher Sozialmaßnahmen und finanziert nebenbei der größte Aufrüstung seit dem 3. Reich. Aus dieser Perspektive sollten wir als Antikapitalist:innen grundsätzlich solidarisch mit den Bauernprotesten sein.
Aktuell versuchen auch bundesweit zahlreiche rechte Organisationen auf den Protest-Zug aufzuspringen, Einfluss zu gewinnen und die Stimmung für sich zu nutzen. Unter anderem die Anti-Ampel-Rhetorik macht es vielen Rechten einfach, sich als Opposition darzustellen.
An der Kundgebung des bayrischen Bauernverbands auf dem Odeonsplatz in München beteiligten sich ca. 8000 Menschen. Wenig überraschend war dennoch quasi die komplette Münchner Rechte von “AfD”, “Junge Alternative”, “Identitäre Bewegung”, die Burschenschaft “Danubia”, der “III. Weg”, „München steht auf“ und der “Studenten stehen auf” (Stauf)
(die lokale Querdenken-Organisationen) in den Protesten unterwegs. Von den Bäuer:innen aus waren diese zwar größtenteils konservativ, im Gegensatz zu ähnlichen Protesten in anderen Städten aber mit weniger faschistischen Ausdrücken geprägt. Die einzige Fahne der Landvolkbewegung – eine Bauernprotest-Bewegung in den 1920er-Jahren, die regional als Wegbereiter für den Erfolg der NSDAP gilt – trugen Burschenschafter der “Danubia”. Lediglich ein Protestschild hatte die Farben der Reichskriegsflagge. Auch sonst gab es nur vereinzelte Schilder, die die verschäften Sanktion gemäß rechter Rethorik mit Migration begründeten. Der neurechte österreichische Nachrichtensender „AUF1“ verteilte Flyer. Das alles wurde stillschweigend hingenommen.
„München steht auf“ (MSA) organisierte unweit der Kundgebung des Bauernverbands eine eigene Veranstaltung um sich solidarisch zu zeigen. Hier beteiligten sich aber mutmaßlich vor allem das typische Querdenken-Publikum, das schon die letzten Jahre gemeinsam demonstriert. Kein einziger Traktor stand am Königsplatz. Doch auch hier offenbarte sich ein lang anbahnender Zusammenschluss das erste Mal offen. Bisher war die “AfD” wegen „Überparteilichkeit“ von MSA zwar toleriert, durfte aber nicht als solche sprechen oder Fahnen zeigen. Am Montag sprach der ehemalige “AfD”-Landtagsabgeordnete Uli Henkel unter Applaus auf der Bühne, im Publikum mehrere AfD-Schilder und eine Fahne.
Auch die “AfD Bayern” versuchte sich mit einer Kundgebung als Opposition zur Ampel und zur bayrischen Landesregierung darzustellen. Zwar war die Kundgebung mit ca. 80-100 Personen größer als Straßenauftritte der Partei in München in letzter Zeit, trotzdem waren es auch hier wenig neue Gesichter oder Bäuer:innen sondern größtenteils bekanntes “AfD”-Personal und Anhänger:innen. Das erste Mal seitdem sich die “AfD-Fraktion” durch die Landtagswahl in Bayern im Herbst nochmal deutlicher dem faschistischen Flügel zugewandt hatte, zeigte sich dies auch auf der Straße. Anwesend waren u.a. der 23-jährige Franz Schmid, stellvertretender Vorsitzender der “Jungen Alternative Bayern” und “IB”-nah. Der 22-jährige Daniel Halemba – bundesweit bekannt geworden durch seinen Haftbefehl auf Grund von Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – oder Annie Hunecke – eine der Frontgesichter der IB- waren ebenso da. Ein Problem damit hatte niemand aus der “AfD”, Landesvorsitzender Stephan Protschka oder Rene Dierkes begrüßten u.a. Halemba freundlich.
Wir organisierten einen Gegenprotest gegen die Kundgebung der “AfD” und versuchten mit Parolen und Transparenten aufzuzeigen, dass die “AfD” kein politischer Partner für die Bauern sein kann. Erfolgreich blockierten wir außerdem einen der Kundgebungszugänge.
Die “AfD” fordert die finanzielle Förderung des Agrardiesels, schreibt aber in ihrem Grundsatzprogramm von einer vollständigen Abschaffung sämtlicher Subventionen und tritt für mehr Wettbewerb auf dem freien Markt ein.
Auch wenn es viele rechte Kräfte versuchten, so ist zumindest am ersten Tag der Protestwoche in München der offene Schulterschluss nicht gelungen. Die Berufsgruppe der Landwirte hat bei den Landtagswahlen 2023 laut Wahltagsbefragungen 52% CSU und 37% Freie Wähler gewählt, während die AfD nur stark unterdurchschnittliche 6% bekam. In Bayern haben wir also mit CSU und Freie Wähler schon ein auf dem Land fest verankertes extrem konservatives bis rechtes Angebot von dem sich die Bäuer:innen und der CSU-geprägte Bayrische Bauernverband gut vertreten fühlen.
Un das obwohl Bayern mit einer Landesregierung aus CSU und Freie Wähler das stärkste Hofsterben deutschlandweit aufweist. Durch Subventionen werde die kleinen Betriebe immer unrentabler und sukzessive in die Arme der Großbetriebe getrieben und geschluckt. Währen die Anzahl der Kleinbetriebe immer stärker sinkt, stieg die der Großbetriebe entsprechend. Eine Entwicklung die insbesondere die wirtschafstreue Regierung Bayerns vehement voeantreibt. Und dennoch wurde der Redner der Freien Wähler laut beklatscht und bejubelt. Die konservative Regierung, die die alten Wertetraditionen bejubelt und im Hintergrund dem Neoliberalismus freie Hand gewährt, scheint sich aller Widersprüche zum Trotz zu halten. Gerade jetzt wo gegen die “grüne” Regierung gehetzt werden kann, lassen sich die eigenen Taten gern auf die Bundesregierung abwelzen. Die “AfD” hat also weniger anzubieten als in anderen Bundesländern und kann in der Bewegung aktuell kaum Erfolge verzeichnen. Dennoch besteht in dem aus Kleinbürger:innen geprägten Protest wenig progressives Potenzial. Die Proteste werden eher nach rechts rücken, anstatt das wir von links irgendwas bewirken könnten. Für die Rechten ist es ein Spielfeld in denen sie weiter Taktiken und Strategien probieren können und weiter versuchen werden, sich zu verankern. Die Gefahr für eine rechte Massenbewegung der Bäuer:innen geführt durch Faschist:innen, sehen wir aktuell aber nicht. Dafür ist der konservative Bauernverband in Bayern zu präsent, ideologisch tief verankert und die Bauern eine zu marginale Bevölkerungsgruppe. Die Gefahr besteht eher darin, dass sich weitere Berufsgruppen anschließen und der Protest einen größeren Bevölkerungsteil anspricht, welcher dann von Rechts vereinnahmt wird.
Es ist unklar wie die Proteste weitergehen, wir müssen sie als Antifaschist:innen weiter im Auge behalten, progressive Angebote unterstützen und Rechte bestmöglich raushalten!